Samstag, 27. September 2014

Geknickte Stimmung im Kindergarten (Burgenblogg final?)

Ja, hat der Onkel Kurz heute Morgen aus der Rheinzeitung vorgelesen: Von "weißer Hexe" bis Physik-Professor: Das sind die Burgenblogger-Kandidaten. Haben alle gespannt zugehört – und dann musste der Onkel Kurz noch zweimal vorlesen. Und dann nochmal. Kam aber kein Kindergarten drin vor. Konnte keiner glauben. Hat dann so langsam allen gedämmert, dass wir nicht drin vorkommen. In der Zeitung. 
Ja, sagen die Leute ja so – dämmern. Erst ist dir ganz schwarz vor Augen, weil du es nicht wahr haben willst. Aber dann, eben wie bei der Dämmerung, kommt so ein ganz kleines Licht und du schaust der Tante Realität in ihr scharfes Auge.



Ja und dann war erst mal geknickte Stimmung. Ja, alle so mit hängenden Köpfchen und Schultern, wie bei ´ner abgeknickten Blume. Kein Leben mehr drin – im ganzen Kindergarten. Mensch, war das ´ne Stimmung. Hab ich meinen eigenen Kindergarten nicht mehr wiedererkannt. Jaaa.

Der Motzi, der hatte ´nen richtig schweren Rückfall. Hat der gewettert: „Pissnelken!“
(So Wörter hat der schon seit Ewigkeiten nicht mehr verwendet, bestimmt seit drei Wochen nicht mehr.)
„Alles Eierköpfe. Denen sollte man mal ordentlich auf die Fresse geben. Kackverein, die Jury. Keine Ahnung von nichts, aber die Kleinen mal wieder rausschmeißen. War ja klar, wir hatten nie ´ne Chance. Immer nur die Großen. Der kleine Mann kommt bei denen eh nicht zu Wort. Haben die Schiss, dass mal einer die Wahrheit sagt. Fallobst, der ganze Verein. Alle weich in der Birne.“

Das ging noch Stunden lang so. Hat der Kevin erst mal ein langes Anti-Schubs-Training mit dem Motzi gemacht. Dass der runter kommt, von seinem Motzbaum.

Am Schluss hat der Motzi dann endlich geweint. Hat ihm gut getan. Hinter der ganzen Wut steckte ja eh nur die Tante Trauer. Ja, der hat sich schon sooooo auf die Burg gefreut. Ist ´ne heikle Sache, dass mit der Vor-Freude. Ist aber ´ne andere Geschichte.

Ja und der Rest vom Kindergarten – die Tante Rührlöffel weiß jetzt nicht wohin mit dem ganzen Reiseproviant. In ihrer Fürsorge hat die ja schon vor gesorgt. Für die Reise zur Burg Sooneck.

Passiert manchmal, dass du für jemanden sorgst und dann im Vorhinein dir Sorgen machst in deiner Fürsorge. Und dann hast du für Reiseproviant gesorgt – und brauchst ihn plötzlich nicht mehr. Hast du sozusagen Nach-Sorgen.

Haben wir aber gelöst. Chefchen Kevin hat sofort verkündet, dass es so oder so eine Fahrt zur Burg gibt. Egal, wie die Jury entscheidet. War die Stimmung schon ein bisschen besser.

Und der Onkel Graukittel, unser Hausmeister. Der war auch am Boden zerstört. Hat der doch gehofft, dass er endlich Schlösser kriegt. Und mit dem Kollegen Burgvogt fachsimpeln kann. Hat der Kevin ihm versprochen, dass er auf eine Fortbildung darf: „Hausmeistern – vom korrekten Umgang mit Schlüsselbündern und anderen Statussymbolen.“ War seine Welt auch wieder in Ordnung.

Ja, und der Schnarchi, der hat noch nichts mitbekommen, der liegt noch auf der faulen Haut. Zum Glück. Hat eben manchmal seine Vorteile, nichts von der Welt mitzubekommen.

Und die Effi. Ja, die Effi ist eben die Effi. Die hat kurz durchgeatmet, in die Hände gespuckt und vor sich hin gemurmelt: „Gut, haben wir Zeit, die Fenster zu putzen. Außerdem wollte ich eh längst mal alle Bücher katalogisieren.“ Ist die Effi eben so ein Schwamm-drüber-Charakter. Nicht nur bei Fensterscheiben. Auch bei Gefühlen.

Und die Tante Ursula – die hat sich so Sorgen um den Kevin und die anderen Kinder gemacht – eben wegen der Vor-Freude und dem Nach-Sehen. Ja, die schaut immer nach allen Kindern und kümmert sich, dass keiner das Nachsehen hat. Außer eben ihr.

Hat der Kevin sie in den Arm genommen. Hilft bei der Tante Ursula immer. Haben wir uns tief in die Augen geschaut. Kam auch schon das Kleine-Lachen. So im Augen-Winkel. Haben wir uns gegenseitig versichert: „Wird schon! Wo ein Kinderwille ist, da ist auch ein Trampelpfad. Begehen wir halt neue Wege. Die ausgetretenen sind eh nicht unsere.“

Sind wir beide ja professionelle Optimisten. Sagt der Onkel Kurz immer. Ja und dann ist sie los, erst mal heiße Schokolade machen. Hilft ja meistens.

Ja und die Tschackeline… Die hat den Kevin ganz traurig angesehen. Ja, die hatte sich auch gefreut. Auf die Burg und besonders für den Kevin. Und die hatte jetzt Angst, dass der Kevin nicht nur geknickt, sondern am Boden zerstört ist. Wegen der verlorenen Hoffnung.

Ja, hat der Kevin das Händchen von der Tschackeline genommen. Sind wir zum Lieblingsplatz vom Kevin. Auf den Hügel hinterm Kindergarten. Auf die Schaukel am dicken Ast vom Wallnussbaum. Ja und wie praktisch. Ist ja Herbst. Haben wir Nüsse gesammelt und geknackt.

Ja, sagt der Justin ja immer: „Ist ´ne harte Nuss. Muss du erst mal knacken.“ Und dann ist der für Stunden weg. Ist aber auch ´ne andere Geschichte. Obwohl – muss der Kevin die Nuss mit dem Nicht-Erwähnt-Werden auch erst mal knacken.

Auf jeden Fall, haben wir da gesessen, auf der Schaukel, Wallnüsse gemümmelt, in die Morgensonne geschaut. Und erst mal gemeinsam geschwiegen.

Tut gut, mit der Tschackeline schweigen. Können wir beide das ganze Mit-Gefühl so richtig schön spüren. Und Mit-Gefühl ist sowieso mehr als die halbe Miete.

Ja – und nach ´ner Weile hat die Tschackeline gefragt: „Du, Kevin, haben die deine Bewerbung überhaupt gelesen? Und ernst genommen? Und verstanden? Vielleicht haben die ja gedacht, dass ist ein Spinner. Der kommt eh nicht auf die Burg. Den gibt’s gar nicht.“

War der Kevin verdutzt. Bin ich gar nicht auf den Gedanken gekommen. Musste ich erst mal in mich gehen – kennt Ihr ja jetzt… - und als ich wieder draußen war, hab ich zur Tschackeline gesagt: „Kann sein. Weißt du ja nie, was in den Köpfen der anderen vor sich geht. Müsste der Kevin die Leute von der Jury erst mal fragen.“

Mach ich hiermit: Lest Ihr eigentlich das Blöckchen vom Kevin? Und versteht Ihr es so, wie der Kevin es meint:
Die Welt einmal mit erwachsenen Kinderaugen sehen. Jenseits von Richtig und Falsch. Und immer mit dem Herzen und einem Lachen?

Auf Antwort freut sich der Kevin.

Und schwubs, ist die Tante Hoffnung wieder zu Besuch. Hinten im Kindergarten ist schon wieder reges Leben, die Tschackeline strahlt.

Und der Kevin gibt nicht auf. Was auch? Etwa die Hoffnung?

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